"Alpenländische Weihnacht" mit dem Gütersloher Knabenchor
So alt ist der Gütersloher Knabenchor ja noch nicht, dass man von einer Tradition sprechen könnte. Aber erneut Lieder zur "Alpenländischen Weihnacht" auf das Programm seines Adventskonzerts zu stellen, lässt eine Kontinuität erahnen, die beim Publikum auf große Gegenliebe stößt. Rund 450 Zuhörer wollten sich das vom Rotary Club Gütersloh mitorganisierte Konzert in der Martin-Luther-Kirche nicht entgehen lassen.
Aus dem Stand sozusagen konnten die Jungen in Johann Pachelbels "Magnificat" zu Beginn die stimmliche und sängerische Klasse verdeutlichen. Der durch junge Männerstimmen des Bachchores verstärkte und von Sigmund Bothmann sehr präzise geleitete Knabenchor (Begleiter an der Orgel: Andreas Dorfner) bewältigte die Vielstimmigkeit dieser komplexen Musik mit einer Selbstverständlichkeit, die nicht im Entferntesten an die Arbeit denken ließ, die mit solcher Qualität verbunden sein muss.
Statt flach und anämisch, wie man es selbst bei berühmten Pendants erlebt, sangen die 22 Gütersloher Knaben mit einer warmen Fülle, ohne die Beweglichkeit für die polyphone Struktur einzubüßen. Die Rundheit des Klangs erwies sich auch für Felix Mendelssohn-Bartholdys Motette "Veni, domine" als ideal, seit langem ein romantisches Paradestück des Chores, der ier und in zwei Motetten von Franz Danzi animierend von Christian Bonath geleitet wurde.
Drei Chorsätze von Michael Haydn, in denen jeweils zwei Kinder solistisch nach vorne traten und durchgehend brillierten, nahm bereits in der Schlichtheit des Duktus die bayerischen Weihnachtslieder vorweg. Zur Durchhörbarkeit des Satzes und der ausdrucksstarken Betonung des Textes trat hier eine Vortragsart, die man natürlich nennen könnte, wäre auch sie nicht ein Ergebnis harter Probenarbeit des nun um weitere jüngere Sänger verstärkten Knabenchor. Nicht nur hatten sie hier sauber zu singen, sondern auch die Texte der zwölf jeweils dreistrophigen Lieder in schönstem bayerischen Dialekt auswendig zu lernen. Das klappte so stimmig, wie die Begleitung durch die aus München stammende Harfenistin regine Kofler, die nciht in Konzertkleidung, sondern stilgerecht in Tracht auftrat.
So sehr auch der Applaus nach jedem Stück die stille Atmosphäre unnötig aufrührte, so sehr war er nach der Abteilung wunderbar innig gesungener deutscher Weihnachtslieder und den zwei Zugaben verdient.
Immer häufiger geht’s beim Bachchor Gütersloh nicht mehr ohne die Knaben. Auch beim diesjährige Weihnachtskonzert gestalteten die rund 40 Jungen fast die Hälft des Programms mit. Und sorgten, indem sie auch ihre Eltern und Großeltern mit ins Konzert lockten, für eine stark besuchte Martin-Luther-Kirche, die ohne das Schneetreiben sicherlich ausverkauft gewesen wäre.
Den Kinderbonus, so denn er jemals in Anspruch genommen worden wäre, gilt beim Knabenchor schon lange nicht mehr. Die Leiter, Kirchenmusikdirektor Sigmund Bothmann und Ernst Leopold Schmid von der Landesmusikakademie in Heek, haben einen Chor geformt, den man getrost einzig an seiner Qualität, und nicht am Alter seiner Mitglieder messen darf.
Das abwechslungsreiche Programm am Sonntag verlangte stilistische Vielseitigkeit. Offenbarten die Knaben und die Herren des Bachchores unter Sigmund Bothmann eingangs bei Michael Praetorius’ „Den die Hirten lobeten sehre“ noch tiefste Vertrautheit mit dem Gesungenen, so waren die drei Mozart-Chorsätze durchaus ungewohnte Repertoire-Ausflüge. Ernst Leopold Schmid hielt die Mannen, und auch die selbstbewusst auftrumpfenden Knabensolisten in diesen drei eher unkomplizierten Stücken zu beschwingtem, gleichwohl dynamisch nuanciertem Musizieren an, vom klein besetzten Bachorchester vital unterstützt. Mit Kerzen in der Hand und den Gregorianischen Choral“ Rorate caeli“ singend und in die Kirchen einziehend, eröffnete der Bachchor den zweiten Programmteil. Die Klangfülle des mit knapp 50 Stimmen üppig besetzten Chores stand einer beweglichen Auffächerung der Polyphonie in Schützens „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes“ nicht entgegen, verlieh dem doppelchörigen „Lieber Gott, wecke uns auf“ von Johann Christoph Bach wuchtige Entfaltung und dem konzis gesetzten „Mangnificat“ Johann Pachelbels vokale Prägnanz.
Dass der Chor auch für die melodisch-tonale Schönheit zeitgenössischer Komponisten aus dem Norden ein Faible hat, wurde einmal mehr in der atmosphärisch packenden Interpretation des „Ave maris stella“ des 1945 geborenen Norwegers Trond Kverno spürbar. Zusammen mit „Tota pulchra est“ von Maurice Duruflé, dem ausschließlich die Bach-Damen ihre ausdrucksstarken Stimmen schenkten, und dem melodisch sanft gen Himmel strebenden „Ave Maria“ von Franz Biebl, war dies wohl der stimmungsvollste Abschnitt des Konzerts, das mit dem doppelchörigen „Zwei der Seraphime“ von Jacobus Gallus, von Knaben- und Männerstimmen im zweiten Chor von der Empore gesungen, zu einem jubilierenden Ende brachten.
Der große Beifall, der zwischen den einzelnen Stücken eher störte, war am Ende des Abends mehr als berechtigt.
Bachchor und Cammermusik Potsdam
"Grand Musical Entertainment". Das Urteil stammt von Charles Jennes, dem Librettisten von Händels "Messias". Wer möchte daran zweifeln? Händel selbst aber wollte mehr. "Ich wäre betrübt, wenn ich die Zuhörer nur unterhalten hätte; ich wollte sie zu besseren Menschen machen", stellt er mitBlick aufs Publikum dar.
Bei der Aufführung des Bachchors am Sonntag in der Martin-Luther-Kirche in englischer Originalfassung hat sicher der exczellente musikalische Unterhaltungswert im Vordergrund gestanden. Die Frage, ob er bei den Zuhörern auch die von Händel ins Auge gefasste Wirkung gezeitigt hat, muss unbeantwortet bleiben. Ohne Zweifel hätte sie dazu das Zeug gehabt.
Von Beginn an fügte sich alles zu einem beeindruckendem Gesamtbild: die sorgfältige Auswahl des Solistenquartetts aus Cornelie Isenbürger (Sopran), Bettina Pieck (Alt). Georg Poplutz (Tenor) sowie Markus Krause (Bass), die edle, hervorragend eingespielte "Cammermusik Potsdam" mit ihren historischen Instrumenten, ein rundum ausgereifter, gewissenhaft vorbereiteter Bachchor und nicht zuletzt Kirchenmusikdirektor Sigmund Bothmann mit beherztem, souveränem Zugriff.
Händels Komposition, glanzvoller Gipfelpunkt seines Oratorienschaffens, stellt eine einzige monumentale musikalische Verkündigung der Heilsgeschichte nach Bibelzitaten dar, angefangen von den Weissagungen des Alten Testaments bis zur Geheimen Offenbarung des Johannes. Mit diesem Bewusstsein im Hinterkopf hatten die Solisten sich in besonderer Weise der Text ausdeutenden Interpretation ihrer Rollen verschrieben. Dabei verfügten sie über eine Fülle von Gestaltungsmöglichkeiten: Isenbürger mit glänzenden Klangkronen, Pieck mit milder Wärme, Poplutz mit herrlichem Aufblühen der Klangentwicklung und Krause mit seiner Ehrfurcht gebietenden Sarastro-Stimme. Allen gemeinsam war die hervorragende Artikulierung der englischen Sprache.
Der Bachchor erwies sich einmal mehr als sehr elastische Formation, der ihr ausgeprägter Gestaltungswille ebenso anzumerken war. Den Prüfstein der Chorkunst, das in jeder Messias-Aufführung fast ungeduldig ersehnte "Hallelujah", vom Orchester fast zärtlich intoniert, formte der Chor zum erwarteten Renommierstück: wohl dosiert, akzentuiert und völlig unangestrengt.
Die Wirkung war, befreit vom großbürgerlichen Pomp des 19. Jahrhunderts, durchschlagend. Nicht minder grandios der Schlusschor und die Amen-Fuge. Was nach dem rauschenden Beifall mit einer Extraportion für den Chor als Zugabe kam, war klar: "Hallelujah".
Die Glocke / Bernd Heumüller
Bachchor Gütersloh brillierte in den Kantaten IV - VI des Weihnachtsoratorium
Nach mildem Knabenchorglanz nun die Strahlkraft von Frauenstimmen. Die Aufführung von J. S. Bachs Weihnachtsoratorium wurde zum Triumph für den Bachchor Gütersloh. Mit dem erneut brilliant spielenden Ensemble "L`arte del mondo" sorgte Kirchenmusikdirektor Sigmund Bothmann in der fast ausverkauften Martin-Luther-KIrche für eine in sich stimmige, chorisch beeindruckende Darstellung der zu Unrecht seltener gespielten letzten drei Kantaten.